Im Rahmen dieses Workshops werden die zentralen Konzepte der aufsuchend arbeitenden Multisystemischen Therapie und deren Adaptation für Familien mit besonders hohem Misshandlungs- und Vernachlässigungsrisiko praxisnah vorgestellt. Die einzelnen Bausteine der manualisierten Behandlung und die Rahmenbedingungen von MST werden nur kurz präsentiert, um sich im Folgenden auf jene Interventionen zu fokussieren, die auch in anderen Behandlungssettings effektiv und effizient angewendet werden können. Besonders wichtig ist es eine „MST-Haltung“ dem gefährdenden Elternverhalten gegenüber zu vermitteln. Diese zielt darauf ab eine herausfordernde Balance zwischen emotionaler Validierung, Verständnis und Konfrontation und gleichzeitigem Einfordern von Verantwortungsbernahme zu halten. Gleichzeitig Veränderungsmotivation, Sicherheit, Vertrauen aufzubauen und die Ressourcen im Umfeld der Familie zu fördern.
Auf drei Interventionen, die sich besonders bewährt haben, wird vertieft eingegangen der „Fit“, der „Safety-Plan“ und der „Abuse Clarification Process“. Im Rahmen der MST-CAN Behandlung bilden einfache, aber elaborierte mit der Familie erarbeitete Sicherheitsplänen die Basis für die ganze Behandlung. Der Kern der MST-Can Behandlung ist der sogenannte „Fit“ ein Raster um Problemverhalten multisystemisches zu verstehen. Auch das vernachlässigende Verhalten der Eltern wird mit dieser Methode reflektiert. Der „Abuse Clarification Process (ACP)“ ist die Krönung jeder erfolgreichen MST-CAN-Behandlung. Im ACP wird mit den Eltern ein Brief mit einem Narrativ bezüglich der Misshandlung erarbeitet, welches die Verantwortungsübernahme durch die Elternteile, die Perspektivenübernahme (wie hat das Kind sich in dieser Situation gefühlt), eine aufrichtige Entschuldigung sowie einem Ausblick (wie lassen sich solche Situationen zukünftig sicher vermeiden) umfasst. Dieser Brief wird in einem emotionalen Prozess den Kindern vorgelesen. Alle Interventionen werden im Workshop direkt angewendet werden oder anhand von anschaulichen Praxisbeispielen vorgestellt.
Archive
Wenn das Trauma mit am Küchentisch sitzt
Wenn Kinder oder Erwachsene traumatisiert wurden, hat dies nicht nur auf das Leben des Einzelnen massive Auswirkungen, sondern das Familiensystem als Ganzes steht oft vor grossen Herausforderungen und Belastungen. Auch nicht traumatisierte Familienmitglieder leiden oft unter den Symptomen und Folgen. Teilweise begegnen wir Familien, in denen Kinder und Eltern traumatisiert sind. Im Praxisalltag erleben wir leider zu oft, dass in den Einzeltherapien die systemische Ebene zu wenig gesehen wird. Durch die Trennung von Kinder-/Jugendtherapie und Erwachsenentherapie ergeben sich Hindernisse in der Zusammenarbeit. Uns stehen heute gut fundierte und wirksame Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, die jedoch zu selten eine Verknüpfung vom Einzelnen zur Familie herstellen. Wir wollen im Workshop diese Lücke schliessen und den Teilnehmenden die Möglichkeit geben, den Blick auf das ganze Familiensystem und dessen Behandlungsmöglichkeiten zu richten. Dabei werden wirksame Therapieoptionen, Interventionsmöglichkeiten und wichtige Zusammenhänge, die im Therapiealltag gut umsetzbar sind, vorgestellt.
Brainwash – Die unterschätzte Gefahr von dauerhafter Nutzung von Computerspielen – Vom Computerspiel zur Spielsucht
Aktiv durchgeführte Gewalt-Computerspiele wie Ego-Shooter und ähnliches und ihr Beitrag zur Gefahr, gewalttätig in der Realität zu agieren – vom Spieler zum Täter.
Frei verfügbare Pornographie und Pornospiele – Gefahr für eine gesunde Sexualentwicklung und Enthemmung?
Entsprechend der Erkenntnisse zur Neuroplastizität des Gehirns sind es die Nutzungsbedingungen des Gehirns besonders bei Kindern und Jugendlichen, die dort feste Verknüpfungen, also Strukturen entwickeln, die unser Denken, Fühlen und Handeln mitbestimmen. Wie können wir Kinder und Jugendliche vor einem unkontrollierten Medien-, Spiele-, Pornokonsum schützen? Oder schauen wir solch einer „psychischen Umweltvergiftung“ tatenlos zu?
In dem Workshop sollen anhand anschaulicher Beispiele mit Szenen aus Computerspielen die Gefahren der Verharmlosung deutlich gemacht werden.
Mobbing: Ist ein Reset auf Körperebene möglich?
Mobbing verändert das Verhältnis zum Körper. Psychosomatische Symptome wie Schlaflosigkeit und Gelenk- oder Muskelschmerzen treten häufig schon kurz nach dem Einsetzen der feindlichen Attacken auf (Leymann, 2013). Das Nervensystem reagiert und aktiviert Kampf- und Fluchtimpulse, was zu heftigen Reaktionen der Betroffenen führt (Porges, 2017). Der Pionier der Mobbingforschung, Heinz Leymann, betont, dass die Verteidigung umso primitiver wird, je grösser die Angstentwicklung ausfällt. Es beginnt ein Teufelskreis, weil das Verteidigungsverhalten der Betroffenen nicht selten als Bestätigung dafür gesehen wird, dass sie sozial unangenehm, ja untragbar sind.
Im Workshop befassen wir uns damit, wie die aktivierten Kampf- und Fluchtimpulse erkannt und entlastet werden können. Basierend auf den Erkenntnissen von Porges werden Möglichkeiten vermittelt, wie sich das von ihm benannte «Social Engagement System» und damit verträglichere Reaktionen aktivieren lassen. Die Resonanz-Theorie von Rosa und der Umgang mit Verbitterungsstörungen nach Linden bilden weitere Grundpfeiler für die Wahl körperorientierter Interventionen (Rosa, 2016, Linden, 2017).
Ziel ist es, Teilnehmenden des Workshops Wege aufzuzeigen, wie kognitive Endlosschleifen nach Mobbingerfahrungen wirkungsvoll durch Ressourcenaktivierung auf Körperebene unterbrochen werden können. Ein weiteres Augenmerk gilt Anleitungen für Betroffene für Erfahrungen von Kontrolle und Selbstwirksamkeit.
Literatur:
Leymann H. (2013). Mobbing, Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann. Reinbeck bei Hamburg: Rowolt
Porges St. W. (2017). Die Polyvagal-Theorie und die Suche nach Sicherheit. Traumabehandlung, soziales Engagement und Bindung. Lichtenau: G.P. Probst
Rosa H. (2016). Resonanz, eine Soziologie der Weltbeziehungen. Berlin. Suhrkamp
Linden M. (2017). Verbitterung und Posttraumatische Verbitterungsstörung. Göttingen, Hogrefe
Begutachtung psychisch reaktiver Traumafolgen im Sozialen Entschädigungsrecht und der gesetzlichen Unfallversicherung, Gutachtenstandards der DeGPT
Häufig ist festzustellen, dass klinische GutachterInnen in der Kausalitätsbeurteilung psychisch reaktiver Traumafolgen oft zu extrem gegensätzlichen Ergebnissen gelangen. Neben symptombedingter Behinderung der Exploration und besonderen Beziehungsaspekten, die die Objektivität der gutachterlichen Beurteilung beeinträchtigen können, sind es eine Vielzahl möglicher komorbider Störungen, die psychisch reaktive Traumafolgen überlagern und so zu Fehlbeurteilungen bei der Begutachtung führen können. Eine schädigungsunabhängige psychische Vorerkrankung macht die Beurteilung vollends schwierig.
Aus diesem Grund hat die DeGPT vor 6 Jahren ein zertifiziertes Fortbildungscurriculum verabschiedet, welches psychologische und ärztliche FachkollegInnen in die Lage versetzen soll, klinische Gutachten zu psychisch reaktiven Traumafolgen und ihrer Genese in sozialrechtlichen Verfahren fachkompetent zu erstellen. Die von der DeGPT entwickelten Standards für die schriftliche Gutachtenerstellung sollen dabei eine ausreichend begründete und für Dritte nachvollziehbare Beurteilung garantieren, die in der Praxis nicht immer gegeben ist.
In diesem Workshop sollen die speziellen Probleme anhand von Fallbeispielen (gerne auch mitgebrachte Fälle von TeilnehmerInnen) illustriert, die Standards der DeGPT zur Gutachtenerstellung der DeGPT erläutert und auf Besonderheiten bei der Exploration und Beurteilung hingewiesen werden.
http://www.degpt.de/curricula/degpt-curriculum-begutachtung.html
Literatur:
Haenel F, Denis D, Freyberger H. Die Begutachtung psychisch reaktiver Traumafolgen im Rahmen des OEG. In: Seidler GH, Freyberger HJ, Maercker A. Handbuch der Psychotraumatologie. Stuttgart 2011; S. 735-745
G. Flatten, E. Ebbinghaus (Hrsg): Themenhefte „Begutachtungspraxis psychisch reaktiver Traumafolgen“, Trauma & Gewalt, 8.Jg., Heft 2, Mai 2014 sowie 10.Jg., Heft 2, Mai 2016
D. Denis, F. Haenel (Hrsg) Trauma & Gewalt – Themenheft „Begutachtung psychisch reaktiver Traumafolgen – Soziales Entschädigungsrecht, gesetzliche Unfallversicherung, Aufenthaltsrecht“, 15.Jg., Heft 2, Mai 2021.
Behandlung der Komplexen PTBS: Das Therapieprogramm „STAIR/NT“
Personen, die in ihrer Kindheit sexuellen Missbrauch oder Misshandlung erlebt haben, leiden oft nicht nur unter Symptomen der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), sondern auch unter weiteren Beeinträchtigungen, etwa einer eingeschränkten Affektregulation, Schwierigkeiten in interpersonellen Beziehungen und einem negativen Selbstbild. Gerade diese zusätzlichen Symptombereiche, die inzwischen als typische Beschwerden im Rahmen einer „Komplexen PTBS“ interpretiert werden, tragen maßgeblich zu den Alltagseinschränkungen Betroffener bei. Bei „STAIR/Narrative Therapie“ handelt es sich um einen Behandlungsansatz, der genau diese Bereiche systematisch berücksichtigt und zusätzlich zur Reduktion der PTBS-Symptomatik eine flexible Behandlung von Defiziten der Emotionsregulation und der interpersonellen Kompetenzen bei traumatisierten Personen erlaubt. Das Therapieprogramm integriert in einem phasenorientierten Vorgehen wirksame Interventionen zur Behandlung komplexer Traumafolgestörungen und wird in den neuen Behandlungsleitlinien als eines der Standardverfahren empfohlen. Im Workshop wird ein Überblick über das Therapieprogramm gegeben sowie auf seinen Einsatz im Einzel- wie im Gruppensetting eingegangen. Neben der theoretischen Einführung wird es eine Reihe von praktischen Übungen geben.
Literatur
Cloitre M, Cohen LR, Koenen KC (2013) Sexueller Missbrauch und Misshandlung in der Kindheit. Ein Therapieprogramm zur Behandlung komplexer Traumafolgen. Göttingen: Hogrefe-Verlag.